--- Jule´s Unfall

Es ist der 28.09.04 halb sieben früh am Dienstag Morgen (australische Zeit). Das Telefon klingelt und ich geh gleich ran. Am anderen Ende eine mir vertraute Stimme, die ich aber um die Zeit nie erwartet hätte.

Sofort fing mein Herz an zu raßen und mir blieb die Luft weg! Es war Pierre - Jule´s Stiefpapa. Er fragte mich ob ich sitze. Ich fing an zu zittern, ich wusste sofort dass was nicht stimmt und fragte sofort was passiert ist. Er stotterte und mir wurde immer mehr klar was gleich kommt. Er sagte mein Baby hat einen Unfall gehabt und ich sagte: "Jule liegt im Krankenhaus, sag dass sie im Krankenhaus liegt!!!" Er schwieg. Und dann sagte er: "leider nein". Ich schrie ihn an, sagte immer wieder: "Nein! Sie ist nicht tot! Mein Baby ist nicht tot! Sag dass sie im Krankenhaus liegt! Sag dass mein Baby nicht tot ist!!!" Aber er sagte nur: "Tut mir leid". Ich ging zu Boden, ich brach zusammen! Ich liebe mein Baby so unendlich sehr! Ich lies den Hörer fallen und schrie: "Nein, nein nein!" Ich wollte es nicht wahr haben, ich griff zum Handy und wählte Jule´s Nummer. Es klingelte aber niemand ging ran! Ich probierte es immer und immer wieder, bis das Telefon aus ging. Immer wieder fragte ich WARUM, WARUM mein Baby?!! Ich war nur noch am heulen, ich wollte es nicht glauben! Was sollte ich jetzt tun, 18.000 km weit von zu Hause entfernt, ohne meine ganzen Freunde. Ich war so alleine! Meine Welt brach zusammen! Niemand nahm mich in den Arm!

Wir fuhren auf Arbeit. Ich konnte ja nicht alleine im Haus bleiben. Ich hab den ganzen Tag nur geheult und versuchte immer wieder mein Baby anzurufen. Aber ihr Telefon blieb stumm! Ich habe am Abend gleich meinen Rückflug gebucht. Ich musste zu meinen Freunden, zu ihren Eltern! Ich wäre fast durchgedreht - diese Schmerzen! Die ganze Zeit hielt ich ihr Foto und sagte ihr, dass ich sie liebe und schaute mein Baby an und musste immer weinen, ich kann es nicht begreifen!

Ich konnte nichts mehr essen, ich konnte nicht mehr schlafen, ich wollte aus diesem schrecklichen Albtraum raus! Kann mich jemand wecken?! Bitte weckt mich auf! Aber niemand tat es... Ich hab die ganze Nacht mit Freunden in Deutschland telefoniert und geheult, ich will es nicht glauben! Ich wusste nicht was ich machen sollte! Mein Flug sollte am Montag gehen aber ich habe ihn auf Freitag umbuchen lassen, ich hätte das Wochenende nicht überlebt! Ich hatte Schmerzen, solche Schmerzen!

Die Tage bis Freitag waren endlos. Tagsüber gearbeitet, dass ich wenigstens 8 Stunden schneller rum bekam. Ich habe mehr geheult als gearbeitet, immer wieder bekam ich eine SMS mit Beileid ausgesprochen und bei jeder SMS mehr wurde mir klar, ich träume nicht! Und nachts habe ich nach Deutschland telefoniert. Diese Schmerzen wurden immer mehr!

Der Flug am Freitag war die reinste Qual - über 22 Stunden! Am Flughafen holte mich Mama und zwei gute Freunde ab. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Am Nachmittag traf ich mich mit Jule´s drei besten Freundinnen. Wir fielen uns in die Arme und heulten. Dann fuhren wir zur Unfallstelle. Ich fing am ganzen Körper an zu zittern und konnte nicht mehr aufhören! Wir standen über zwei Stunden ganz still dort, hielten uns fest und konnten und wollten es nicht wahr haben!

Ich hab doch noch einen Tag vor ihrem Unfall mit ihr telefoniert, hörte ihre süße Stimme und mein Baby sagte mir auch noch: "Am Montag bezahl ich meinen Flug zu Dir" und ich sagte ihr auch noch: "Fahr bitte langsam Baby!"

Ich habe den ganzen Samstag durch gezittert. Abends konnte ich ein wenig schlafen, nach den letzten Tagen auch kein Wunder.
Am nächsten Morgen ging es weiter, ich zitterte. Meine Mama holte mich ab und wir fuhren zu Jule nach Hause. Vorm Haus wäre ich fast das erstemal zusammen gebrochen. All die Erinnerungen... Wir gingen langsam zur Tür. Der Schmerz wuchs und wuchs! Ich sah ihre Mama und wir mussten ganz sehr weinen und hielten uns im Arm. Danach kam ihr Papa und ich musste noch mehr weinen. Ihre Eltern waren immer so lieb zu mir! Ich hatte kaum noch Kraft, aber ich wollte in mein Baby ihr Zimmer. In dem wir auch schon so schöne Stunden hatten!
Ich zitterte immer mehr, wir gingen langsam die Treppen hoch. Ich sah ihre Schuhe, ihre neuen Schuhe, von denen sie mir erst erzählt hat! Ich öffnete langsam die Tür und insgeheim habe ich gehofft mein Baby zu sehen, aber sie war nicht da! Ich ging langsam rein, zitterte immer mehr, sah all die Sachen die sie mir immer am Telefon beschrieben hat. Ich ließ mich auf ihr Bett fallen. Alles roch nach ihr, ich sah all die Fotos von uns und von mir. Mein Hemd am Fenster, was ich als Andenken da lies und mein T-Shirt, und auf dem Schreibtisch lag der Ausdruck von dem Flugticket zu mir nach Australien. Ich brach fast zusammen. Ich wollte nur noch sterben!
Ich habe von Jule´s Mama noch das Lieblingsshirt von meinem Baby bekommen, in dem ich so viel mit ihr unternommen habe! Ich konnte nicht mehr länger in ihrem Zimmer bleiben, Die Schmerzen waren zu groß und meine Mama hatte so Angst um mich. Jule´s Papa und Pierre mussten mich die Treppen halb runter tragen. Ich konnte und wollte nicht mehr. Mein Baby war wirklich tot. Ich kann doch ohne mein Baby nicht weiter leben!

Ich zitterte noch den ganzen Tag und auch am Montag noch. Am Donnerstag war die Beerdigung. Bis dahin traf ich mich ständig mit Freunden, ich durfte die ganze Zeit bei meiner besten Freundin schlafen. Ich war so am Ende, ich wollte nur noch sterben! Immer wieder musste ich los heulen. Ich hatte so viel Angst vor der Beerdigung, vor dem entgültigen Abschied!

Ich will es immer noch nicht akzeptieren und verstehen, werde ich es nie, warum man mir das wertvollste und beste genommen hat! Ich liebe meine JULE für immer und sie wird immer das beste und schönste und einzigartigste für mich bleiben!!!